AT/ Wilder Kaiser/ Kleine Halt 2116m Nordwand
Abwechslungsreiche Bohrhaken-"Longline" mit alpinem Touch
Bereits 2013 in der Via Aqua durch die Kleine Halt Nordwestwand hörten wir von einer neuen, ebenfalls langen Route im rechten Teil dieser Wand. Schnell fanden wir heraus, dass sich Adi Stocker auch dort mit der "Kolloseum" eine weitere Longline erarbeitet hatte. Laut Topo nur unwesentlich schwerer als die benachbarte Via Aqua, es sei aber vorneweg gewarnt, dass diese Linie trotz Bohrhaken wesentlich alpiner und anspruchsvoller ist.
Am 22. August 2015 war es dann soweit. Die zentrale Ausrichtung im Wilden Kaiser erfordert einen langen Zustieg, entweder über das Kaiserbachtal oder von der Griesener Alm in jeweils 3-4h Stunden. Da wir mehrere Tage rund ums Stripsenjochhaus aktiv waren, bot sich dieser Abstecher also an. In zwei Stunden marschierten wir bergabwärts zur Route. Erst am Abend sollten wir diese logistische Herangehensweise bereuen. Wie gerne wären wir mit Bikes nach Kufstein hinuntergerollt...
Schon von der Ferne erkannten wir, dass das große Hufeisen mit der Schlüssellänge komplett nass ist. An dieser Stelle sei es erwähnt, dass ich nicht unbedingt gerne Felsrouten bei schlechten Verhältnissen klettere, obwohl es oft den Eindruck macht. Da man sich diese aber nicht immer aussuchen kann, ließen wir uns nicht abschrecken und kletterten los. Der Einstieg befindet sich ein Stück unterhalb des markanten Rissdreiecks, 50hm tiefer der Vorbaurampe. Die ersten zwei Seillängen hätte man sich demzufolge sparen können, dann wären allerdings keine 1000 (Kletter-)Meter entstanden.
Über leichte Platten folgt man in geneigtem Gelände dem kompaktesten Fels.
Erwähnenswert ist erst die Sl 6 mit einer kurzen steilen Wandstufe (VI, 35m). Sl 7 führt -insbesondere bei Nässe- heikel über eine abschüssige Plattenrampe quer nach rechts (III+, 2BH auf 40m). Unmittelbar danach befindet man sich unter der Steilstufe des großen Hufeisens.
Konzentriert startete ich in die tropfnasse SSL, welche präzises Steigen auf rauer Platte mit einigen hohlen Schuppen verlangt. Ein Griff verabschiedete sich prompt, doch ich konnte mich gerade noch an der Wand halten. Die letzten Meter, welche mit A0 bewertet sind, konnte ich auf Anhieb frei klettern, mein Vorschlag für diese insgesamt sehr fordernde Länge VIII-.
Über den exponierten Quergang verlässt man das überaus hässliche, splittrige Kolloseum. Die folgende, plattige Wandstufe wartet mit einigen schönen Kletterstellen in teils sehr gutem Fels.
Die Schrofenquerung führt an einem tiefen Loch vorbei nach links zu toller Wandkletterei (VI, 30m). Die Längen 18 bis 20 schlängeln sich durch die kompaktesten Felsmeter inmitten von großen Wulsten. Der steile, graue Pfeileraufschwung in Sl 21 bietet erstklassigen Kalk, gefolgt von etwas moralischem Linksausstieg zu Stand.
Aufgrund des sehr morschen Gesteins in der 23ten Seillänge ziehen sich normalerweise die Seilschaften technisch an den 9 Bohrhaken hoch. Da es zwar extrem brüchig aber kletterbar ausschaut, kletterte ich langsam und vorsichtig los. Abgesehen von einem unkontrollierten Flug nach Griffausbruch konnte ich diesen überhängenden Eiertanz auf Anhieb frei überwinden (ca. VIII, rotkreis). Da der Fels hier noch sehr veränderungsfähig ist, können sich die Schwierigkeiten weiter erhöhen.
Die letzten vier Seillängen zum Wandbuch bieten wunderbare Platten und Wasserrillen, bevor wir seilfrei über den leichten Grat zum Gipfel der Kleinen Halt gelangen. Im letzten Tageslicht beginnen wir den endlosen Abstieg und erneuten Aufstieg zurück zum Stripsenjoch.
"Eindrucksvolle, lange alpin angehauchte Sportkletterroute mit einigen brüchigen Stellen. Insgesamt aber oft guter Fels. Bei dieser Tour überwiegt das tolle Gesamterlebnis."
Facts Kolloseum:
7-A0/ VIII frei/ E 2+/ 1000m bei 27 Sl/ 8-10h/ Nordwestwand/ 11 Exen, davon einige lange/ evtl. Keile oder kleine, mittlere Friends/ 60m Doppelseil/ Stirnlampe!
am 22. August mit Alfred Hagmaier geklettert
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