ITA/ Civetta/ Torre Valgrande 2715m Nordwestwand
beeindruckende Linie aus dem "extremen Fels" im Schatten der Civetta
Wir begannen unseren dreitägigen Dolomitenurlaub mit einer derart chaotischen Vorabendanreise und einer kurzen Nacht am Parkplatz Pala Favera am Staulanzapass. Nach der üblichen Packerei und einem entspannten Frühstück machten wir uns zügig an den südseitigen Zustieg zur Rifugio Coldai, welcher uns ordentlich ins Schwitzen brachte. Kurz darauf gelangt man über die Scharte absteigend zum Coldai See und angenehm kühl unter die mächtige Civetta Nordwand.
Nach 2h stehen wir unter dem beeindruckenden Torre Valgrande mit seiner geradlinigen Rissverschneidung über die gesamte Wandhöhe. Eine derart logische und direkte Linie, welche schon 1936 erstbegangen wurde! Durch die brüchige Zustiegsrinne kraxelt man linkshaltend maximal im dritten Grad zu einem Schneefeld. Dieses gilt es zu überqueren, danach dem Band mit Steinmännern rechtshaltend folgen. Über graue Platten hoch zum eindeutigen Einstieg ohne Haken einige Meter unter dem gelben Wandteil auf noch grauem Fels.
Wir benötigten für den Vorbau 30min, dieser ist seilfrei und mit Turnschuhen gut machbar.
Nach hauptsächlich modernen Sportkletter- routen in den letzten zwei Jahren mit BH-Absicherung musste ich mich erstmal wieder an die alpinere Dolomitenkletterei gewöhnen. Gleich die erste, senkrechte Länge im fünften Grad kommt mir als "Plattenschleicher" anstrengend vor, die Wegfindung in der gesamten Route ist dafür eindeutig (45m, 5+).
Die zweite Seillänge stellt die SSl dar, der Stand in der Nische darunter, bestehend aus zwei Haken kann und sollte mit Friends aufgebessert werden. Wenn alle Haken stecken ca. 6 A0, bei fehlenden Haken kommt die ursprüngliche Bewertung 6- und A2 zustande. Frei geklettert fordert der kurze aber extrem steile Rissüberhang sicher den oberen achten Grad, selbst im Nachstieg hatte ich hier große Probleme. Für einen Rotpunktversuch lassen sich anfangs gute Friends setzen, trotzdem heikel und anspruchsvoll (30m, 8+?!).
In Sl 3 klettert man in der Verschneidung an etwas lockeren Schuppen links des Ausbruchs. Da hier wenig Haken stecken und man nicht optimal absichern kann, ist dies wohl die moralisch forderndste Länge (25m, 6+).
Genauso steil und ausgesetzt geht es in Sl 4 weiter, dafür bei besserer Absicherung bzw. super Möglichkeiten, etwas zu setzen (25m, 6+).
Der Übergang vom gelben zum grauen Fels stellt die zweite Schlüsselstelle dar, lässt sich aber perfekt absichern. Es folgt perfekter, rauer Kalk, wie wir ihn von den Nordalpen kennen, in einer genialen Rissspur (35m, 7-).
Nun legt sich die Wand etwas zurück, Sl 6 bietet tolle Genusskletterei an kompaktem Fels (45m, 5).
Die ebenfalls wunderschöne siebte Länge endet auf einem bequemen Band, hier haben unsere Seile fast nicht gereicht, ein Zwischenstand wäre zwar möglich, aber nicht so gemütlich (55m, 5+).
Die letzte Länge beginnt steil und führt durch eine schottrige Rinne, der Sicherer ist aber auf dem Absatz unter einem Überhang geschützt. Über einen gutmütigen Kamin verlässt man die Linie und steht auf einem Plateau (45m, 5+).
Entweder nun gleich orografisch links im Zick-Zack über die Plattenrampe abklettern, Stellen 2 bis 3 oder wie in unserem Falle bis ganz oben. Am langen Seil kletterten wir über die Kante zum Gipfel, kurzer Aufschwung 4. Nach der genialen Aussicht seilten wir aus der Scharte zwischen den beiden höchsten Punkten zurück zur Plattenrampe und diese konzentriert hinunter, nicht zu unterschätzen! Im Auf und Ab geht es zurück zur Coldai Hütte -ein Rucksackdepot ist möglich- und weiter zum Auto.
Nach einer großen Portion Tortellini fuhren wir noch zum Parkplatz der Rifugio Bosconero, wo wir am nächsten Tag auf die Rochetta Alta über den Extremklassiker Navasa kletterten.
Zustieg: 2h
Route: 5-7h
Abstieg: 3h
aktuell ca. 6+ A1/ VIII+ frei/ 8 Sl/ 300m/ E 3/
14 Exen/ 50m Doppelseile/ Keile/ Cams 0.3 - 3; evtl. mittlere doppelt/ Hammer, Haken
Die vielen vorhandenen Haken, auch an den Ständen sind verbesserungsbedürftig, dies ist jedoch in der gesamten Route immer super möglich. Den Umgang mit mobilen Sicherungsgeräten sollte man nicht nur aus dem Lehrbuch kennen. Der Fels ist meistens fest mit wenigen brüchigen Stellen.
"Das blinde Vertrauen in die vorhandene Hakenstruktur zeugt von geringem Sachverstand...!"
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Hannes S. (Dienstag, 26 Juli 2016 10:36)
Hey coole Route, gratuliere....haben wir für heuer auch auf dem Plan...
Konntet ihr sehen, ob die Hauptwand schon trocken ist (Solleder,
Aste/Susatti...)?
Grüsse
Hannes